Was wäre eine Stadt oder ein Stadtteil ohne seine „Originale“?
Die gab es natürlich auch in Gerresheim! So zum Beispiel den Anstreichermeister Anton Ophoven, allgemein nur „dr Ophoven Tünn“ genannt. Oder der alte Wachtmeister Reh mit der Pickelhaube, nur „der Rehs Pitter“ gerufen. Ein besonderes Original war der „Vatter Held“, der bekannt dafür war, dass sein Sonntagsbraten ausschließlich aus Hunde- und Katzenfleisch bestand.
So gibt es natürlich von diesen Herren Anekdoten, die im früheren Gerresheim sehr bekannt waren. Einige dieser „Anekdötchen“ sollen auch Sie zum Schmunzeln bringen.
- Falsch gemacht
- Das Protokoll
- Der dicke Finger
- Der Vatter Held
- Wie e Ferke
- Der Haarschnitt
- Referenzen
- Der Patient
- Wat, Tufften utmoken?
- Gerresheimer Zeitung von 1911
Es war Frühjahr, und die Handwerker, besonders die Anstreicher, hatten viel zu tun.
Der Anstreichermeister Anton Ophoven, allgemein nun d’r Ophovens Tünn genannt, sagt eines Dienstags früh zu seinem langjährigen Gesellen: „Hür ens Wellm, jeh doch zeerst nachm Dokter Bergrath on fang em Wartezemmer an.“
Mittags kommt der Ophovens Tünn, der Baas, selbst zum Doktor Bergrath, um die angefangene Arbeit fertig zu machen. Eben gibt er sich daran, auf der von dem Gesellen fertiggestrichenen Wand einige bunte Bänder zu ziehen. Ob nun das Lineal nicht richtig anlag oder der Pinsel zu tief in die Farbe getaucht war, kurz, statt des hellblauen, graden Striches war ein breiter Klecks auf der Wand.
„Donnerkeil noch ens“, schimpfte der Baas, „moß mech dat och noch selws passiere!“ Schnell nimmt er sein Taschenmesser heraus und kratzt die Farbe wieder ab.
Zum Unglück kommt nun auch gerade der Dr. Bergrath herein, um die Arbeit zu betrachten.
„Tag, Meister Ophoven, nanu Pech gehabt? Ja, ja, ihr Anstreicher habt es leicht. Wenn ihr etwas falsch gemacht habt, wird es schnell abgekratzt!“
„Herr Dokter“, lächelt der Baas, „ich mein, ihr hätt et doch noch leichter als wir. Nämlich, wenn ihr wat falsch jemacht habt, kratzt de Pazijent von janz von allein ab!“
In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg gab es auch in Gerresheim noch gemütliche Schutzleute, welche im Glanze der Pickelhaube ihren „anstrengenden“ Dienst taten. Der gute alte Wachtmeister Reh, der Rehs Pitter genannt, kam abends in der Dunkelheit durch die Dreherstraße, als ihm ein Radfahrer ohne Licht entgegenfuhr. „Halt!“ rief er laut, „absteigen!“. Das tat der Ertappte dann auch sofort.
„Das gibt eine Anzeige. Kommen Sie mal mit zur nächsten Laterne, damit ich Ihre Personalien feststellen kann.“
Da erkannte der Rehs Pitter sein Gegenüber, es war der bekannte Doktor P.… „Ach, ihr sid et, Herr Doktor, ich dacht schon, et wör ne Radfahrer. Nix för ungoht. Na, denn Nacht, Herr Doktor.“
Es war auf der Hütte ein tüchtiger Flaschenmaschinist und trotz seiner vielen Kinder ein Mann mit Humor, schlagfertig in seinen Antworten. Der Herr Direktor war ein bärtiger, hagerer Mann und der Gesundheit wegen ein Vegetarier. Eines guten Tages kam der Herr Direktor zu dem Maschinisten, steckte sein Finger in die zur Kontrolle bereitgestellten Flaschen und sagte: „Schauen Sie mal her! Die Flaschenmündungen sind viel zu groß.“ Prompt kam die Erwiderung: „Wenn Sie mehr Fleisch essen würden, Herr Direktor, dann würden Ihre Finger dicker und die Mündung wäre gold-richtig.“
Wenn man von alten Gerresheimer Originalen erzählt, dann wird auch immer der Vatter Held erwähnt. Doch was dieser Name auf sich hat, wissen viele nicht mehr. Am Kölner Tor 21, neben dem früheren Metzger Fenger, hauste in einem Hofgebäude der Vatter Held. Er war ein komischer Alter mit grauem, fusseligem Bart. Still und gebückt, von kleiner Gestalt ging er daher. Doch seine Augen erspähten manchen Hund, der da herrenlos herumlief. Wir Kinder sahen den Alten mit etwas gemischten Gefühlen an, denn es war bekannt, dass er Hunde und Katzen verspeist. Wollte jemand seine Pussi aus irgendeinem Grunde los sein oder konnte ein Hundehalter seinen Hund der Steuer wegen nicht mehr halten, dann war der letzte Weg zum Vatter Held, weil es keine Vernichtungsanstalt gab im alten Gerresheim. Der Alte nahm den ersehnten Braten immer hocherfreut in Empfang. Manches leckere Kätzchen schmorte er in der Kasserolle. Ein Hund hielt mehrere Tage vor, denn er kam in Essig, mit Zwiebeln und Lorbeerblatt. Ich selbst habe zusammen mit dem Könns Dicke (heutiger Stadtverordneter) den Pittermann der alten Frau Becker aus dem Wallgraben zu Vatter Held gebracht. Das sind jetzt schon über 40 Jahre her. In dem Zimmer, welches der Alte bewohnte, herrschte eine Luft zum Durchschneiden. Es roch tatsächlich nach Hund und Katze. Die damalige Jugend prägte den Reim: Der Vatter Held frisst alle Hüng on Katze von de Welt.
Martin Kreutz
Man kann über den Tabak so und auch so denken. Der den alten Gerresheimern wohlbekannte Pastor Lindlar fasste seine Abneigung gegen das braune Kraut in folgendem klassischen Ausspruch zusammen: „Wer qualmt, dä rüch wie e Ferke, wer schnupp, süht us wie e Ferke, un wer priemt, dat is e Ferke!“
Am Gräuling, in der Nähe vom Neusser Tor, war ein Frisörladen. Die Türglocke wimmert und ein Mann kommt mit einem kleinen Jungen ins Geschäft. Dienstbeflissen fragt der Meister: „Womit kann ich dienen?“ „Haarschneiden, rasieren und Kopf waschen, bitte!“
Nach der Verschönerungsprozedur fragt der fremde Kunde: „Hat Er och Zigarette do?“ „Nein“, erwi-derte der Meister, „die kriegen Se um de Eck am Rathaus.“ „Jut,“ meint der Kunde, „ich jonn äwe dohinn, on en der Ziet könnt Ehr dem Jönke de Hoor schniede.“
Der Junge setzt sich mit Freuden auf den Stuhl und lässt sich die Haare schneiden, denn es war sehr nötig.
Nachdem der Meister fertig ist und der Junge schon eine Weile in der Ecke gesessen hat, fragt ihn der Meister: „Dein Vater bleibt aber lang.“ Da antwortete der Gerresheimer Stropp: „Dat es doch jar nit minne Vatter. Dä Mann hät mich nur op de Stroß jefrogt, op ich jän emol ömmesonst der Hoor geschnede han wollt.“
Martin Kreutz
Am Poth wohnte früher ein alter, schwerhöriger Schuster, der für solide Arbeit überall bekannt war. Eines Tages kommt ein Reisender zu ihm, um Bedarfsartikel zu verkaufen. Nachdem der Schuster den Musterkasten nach brauchbarer Ware untersucht hat, machte er seine Bestellung: „2 Kilo dicke Nägel, Pinne, kleine Nägel und Hufeisen.“ Der Reisende ist erfreut über den schönen Auftrag, und füllt den Bestellzettel aus. Zum Schluss fragt er den Meister: „Wie ist es denn mit Referenzen?“ „Och,“ meint da treuherzig der Alte, „do könnt Ehr mech och noch zwei Kilo von metschecke.“
Martin Kreutz
Der Schuster Seithümer in der Dingesstraße hatte ein altes, solides Geschäft. Die angesehenen Bürger Gerresheims zählten zu seinen Kunden, unter diesen auch der Sanitätsrat Dingeskirchen.
Eines Tages in der Sprechstunde steht der ehrbare Schuhmacher vor dem Herrn Sanitätsrat. „Nanu …, ihr seid doch wohl nicht krank?“ fragt dieser den Handwerker erstaunt. Der Schuster stotterte verlegen: „Ija … Herr Rat … dat is schon sowat … aber ich möchte mich emal von ihne untersuchen lassen“ und zog den Rock schon aus. Kopfschüttelnd begann der Dokter die Untersuchung. Nach einiger Zeit legte er das Hörrohr aus der Hand und sagte: „Ja … lieber Herr Seithümer, zieht euch ganz beruhigt wieder an. Ich kann wirklich nichts finden … ihr seid kerngesund!“
Der Schuster Seithümer lachte verschmitzt: Ija, Herr Rat … dat han ich sowiso jewusst, dat ich jesund ben. Äwwer ihr sitt sone jute Kunde, ihr losst sovöll Schoh be mech mache … on do wollt ich üch doch och mol wat zo verdeene jewe!“
Als vor vielen Jahren das Arbeitsamt in Gerresheim unten in der Heyestraße noch sehr überlaufen war, wurde ein Hüttenbewohner namens Hermann, der seit langem als arbeitslos gemeldet war, dorthin zitiert. Der Beamte eröffnete ihm, dass er eine Pflichtarbeit übernehmen müsse.
Und wat soll dat sein?“ fragte Herrmann misstrauisch.
„Na, Sie können doch einem Bauern bei der Ernte helfen“, meinte der Beamte, „beispielsweise Kartoffel ausmachen.“
Da wehrte aber Hermann entrüstet ab:
„Wat soll ich? Tufften utmoken? Nä, die de Tufftens in die Erd rinlegt hebbt, de soll se och rutmoken, de weet am besten, wo se ligge.“ Sprach´s und verließ kopfschüttelnd über eine solche Zumutung die ungastliche Stätte.
Entnommen der Zeitschrift des Bürger- und Heimatvereins Gerresheim „Rund um den Quadenhof”